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C1. Gemeindeeigenes Land an gemeinnützige Bauträger abgeben

Gemeinden können eigenes Land gemeinnützigen Wohnbauträgern zur Verfügung stellen. Viele Städte und Gemeinden tun dies bereits. Gemäss einer Umfrage des Städteverbands geben 68 Prozent der befragten Städte an, Land im Baurecht abzugeben, das sie dabei an Bedingungen wie günstige Mietpreise knüpfen. In selteneren Fällen verkauft die Gemeinde das Land auch.
Volksinitiativen mit der entsprechenden Forderung können Wirkung entfalten: Seit der Annahme der Initiative «Für zahlbaren Wohnraum» stellt die Stadt Luzern städtische Grundstücke vermehrt gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen zur Verfügung. Aktuell sind 15 städtische Areale festgelegt, die mittel- bis langfristig für gemeinnützigen Wohnungsbau genutzt werden sollen.

Die Forderung kann – wie im Beispiel der Luzerner Initiative – generell aufgestellt werden. Oder sie betrifft ein bestimmtes städtisches Areal, das ganz oder teilweise an gemeinnützige Bauträger abgegeben werden soll (Beispiel Thuner Wohninitiative). Der Unterschied zu B1: Anteile in der Nutzungsplanung ist, dass die Forderung in Thun stadteigenes Land betrifft, während Anteile in der Nutzungsplanung für alle Grundeigentümer – städtische und private – gelten.

Was muss man beachten?
Den Grundsatz zu verankern, städtisches Land (vermehrt) an gemeinnützige Bauträger abzugeben, ist sicherlich nützlich. Wie viele Grundstücke die Gemeinde bzw. Stadt dann wirklich abgibt, bleibt aber offen. Deshalb ist es sinnvoll, diese Forderung in Kombination mit einem Mengenziel (Zielvorgabe zum Marktanteil über das ganze Gemeindegebiet oder konkreter Anteil für ein bestimmtes Gebiet) zu verbinden.
Für konkrete Areale ist es sinnvoll, eine Untergrenze zu setzen. Gegen oben sollte der Anteil offen sein (also bspw. mindestens 50 Prozent der Wohnnutzung). Auch ein Anteil von 100 Prozent kann gefordert werden und ist nicht vermessen. Die Frage, ob städtisches Land überhaupt zum Zweck abgegeben werden soll, dass marktorientierte Investorinnen damit Gewinne erzielen können, ist durchaus angebracht.
Die Konditionen für die Abgabe von Land im Baurecht sollten in einem separaten Dokument, z.B. einem (Muster)Baurechtsvertrag, geregelt werden.
Vorsicht bei der Formulierung «zu günstigen Zinsen», «vergünstigt» etc. Baurechte enthalten häufig Auflagen und Zusatzleistungen. Diese rechtfertigen einen tieferen Baurechtszins. Mit Wörtern wie «günstigen Konditionen» oder «vergünstigt» wird das Vorurteil bekräftigt, Genossenschaften seien subventioniert. Ein Baurecht kann, muss aber keine Subvention darstellen (siehe untenstehende Box). Dies bestätigt eine Studie von Wüest Partner, die Baurechte der öffentlichen Hand mit gemeinnützigen Wohnbauträgern genauer analysiert (Kapitel 5, Seite 34 ff).  


Welches sind Vor- und Nachteile?
Vorteile:
  • Zahlbares Bauland zur Verfügung zu stellen, gehört zu den effektivsten Fördermöglichkeiten für mehr gemeinnützigen Wohnungsbau.
Nachteile:
  • Wenn die Gemeinde nur noch über sehr wenig Landreserven verfügt, dann ist die Wirkung entsprechend klein (bzw. erübrigt sich die Forderung). Dann müsste die Gemeinde erst wieder Grundstücke oder Liegenschaften erwerben (siehe C3: Land oder Liegenschaften erwerben). Dafür braucht sie entsprechende Mittel.

Welche Varianten gibt es?
  • Generell für alle städtischen Areale oder spezifisch auf ein Grundstück, das der Gemeinde gehört
  • Auch der Verkauf von gemeindeeigenem Land an gemeinnützige Bauträger ist möglich, nicht nur die Abgabe im Baurecht (siehe Formulierungsvorschlag Beispiel Thun)
  • Politische Vorstösse: In Parlamentsgemeinden gelingt es auch immer wieder, mittels politischen Vorstössen zu erreichen, dass ein städtisches Areal ganz oder teilweise für den gemeinnützigen Wohnungsbau reserviert wird. Hier gibt es viele Beispiele (z.B. in der Stadt Bern die Areale Viererfeld/Mittelfeld oder das Gaswerkareal).

Abgabe von Land im Baurecht

Die Abgabe von gemeindeeigenem Land im Baurecht wird manchmal auch unter dem Punkt finanzielle Förderung von gemeinnützigen Wohnbauträgern aufgeführt. Wenn eine Gemeinde ihr Land nicht zu Höchstpreisen abgibt, verzichtet sie auf Einnahmen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Gemeinde dafür Gegenleistungen erhält. Neben der Auflagen der Gemeinnützigkeit gemäss Wohnraumförderungsgesetz ist die Baurechtsabgabe häufig an weitere Nutzungseinschränkungen und Zusatzleistungen geknüpft. Dazu gehören unter anderem eine beschränkte Übertragbarkeit (Vorkaufs- und Mitbestimmungsrechte des Baurechtsgebers), die Belastung des Grundstücks durch die Dienstbarkeit für das Baurecht, die Verpflichtung zur Kostenmiete und der damit einhergehende Verzicht auf möglichen Ertrag, die Einforderung von Informationspflichten und Mitspracherechten durch den Baurechtsgeber sowie Vorschriften betreffend Belegungs-, Einkommens- und Vermögenslimiten. Gängige Zusatzleistungen sind etwa hohe Energiestandards, Vorgaben zum Architekturwettbewerb, die Erstellung von Flächen für die öffentliche Nutzung oder auch Vorgaben zum altersgerechten Bauen. Aus diesen Gründen wird die Abgabe von Land im Baurecht in dieser Typisierung nicht unter Punkt D, sondern unter Punkt C geführt. Weitere Informationen zu Nutzungsbeschränkungen und Zusatzleistungen bei gemeinnützigen Bauträgern finden sich in der Studie von Wüest Partner «Baurecht unter der Lupe».
Das Bundesamt für Wohnungswesen hat basierend auf dieser Studie im Jahr 2022 Empfehlungen für Baurechtsverträge mit gemeinnützigen Wohnbauträgern herausgegeben.

Wie kann die Initiative formuliert werden?

Schaffhausen - «Volksinitiative zur Förderung des gemeinnützigen Wohnraums» - eingereicht (Oktober 2020), Stadtrat erarbeitet Gegenvorschlag, Ausgang noch offen

Die Verfassung der Stadt Schaffhausen wird folgendermassen geändert:

Art. 2b (neu)
Abs. 1 Die Stadt Schaffhausen strebt eine stetige Erhöhung des Anteils der Wohnungen im Eigentum von Trägern des gemeinnützigen Wohnungsbaus am Gesamtwohnungsbestand an.
Abs. 2 Sie setzt sich zum Ziel, dass auf Gemeindegebiet mindestens 10 Prozent der vermieteten Wohnungen im Eigentum von Trägern sind, welche die Gemeinnützigkeitsanforderungen im Sinne von Art. 37ff. der eidgenössischen Wohnraumförderungsverordnung (WFV) erfüllen.
Abs. 3 a) Bis zur Erreichung dieses Ziels
1. werden keine Grundstücke und Gebäude verkauft, die der Stadt Schaffhausen oder einer von ihr beherrschten Unternehmung gehören und sich in Zonen für die Wohnnutzung befinden; (siehe C2: Gemeindeeigenes Land nur noch im Baurecht abgeben)
2. zieht die Stadt Schaffhausen gemeinnützige Wohnbauträger bei der Vergabe von Grundstücken im Baurecht anderen Bewerbern vor.
b) Ausdrücklich vorbehalten bleiben
1. der Verkauf von Grundstücken und Gebäuden an gemeinnützige Wohnbauträger;
2. vom Grossen Stadtrat aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses bewilligte und dem fakultativen Referendum unterworfene Ausnahmen;
3. Tauschgeschäfte von Grundstücken und Gebäuden;
4. Verkäufe unterhalb einer Wesentlichkeitsgrenze.
 

Thun - Initiative «Für bezahlbare Wohnungen in der Planung Bläuerstrasse-Bostudenzelg» - eingereicht (Juni 2023)

Die nachstehend unterzeichnenden, in der Gemeinde Thun stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger verlangen gestützt auf Artikel 22 ff. der Thuner Stadtverfassung, dass sich die Gemeinden mit einer aktiven Wohnpolitik im Sinne einer ausgewogenen Wohnraumentwicklung für alle Bevölkerungsschichten für gemeinnützige und preisgünstigen Wohnungen im Perimeter der Überbauungsordnung «Bläuerstrasse-Bostudenzelg» einsetzt.
Im Besonderen sind im Perimeter der Überbauungsordnung «Bläuerstrasse-Bostudenzelg» mindestens 50 Prozent der oberirdischen Wohnnutzungs-Geschossfläche im selbstständigen und dauernden Baurecht oder durch Verkauf an eine gemeinnützige Bauträgerschaft im Sinne von Art. 37 der Wohnraumförderungsverordnung abzugeben, die die Wohnungen dauerhaft in Kostenmiete vermietet.
 

Stadt Aarau - Initiative «Raum für alle – Ja zu bezahlbarem Wohn- und Gewerberaum» - abgelehnt (November 2017)

Die Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde Aarau vom 23. Juni 1980 wird wie folgt geändert:
D. Förderung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum
§ 10e 1. Grundsatz
1 Die Stadt setzt sich aktiv für den Erhalt und die Erhöhung des Anteils von preisgünstigem und qualitativ hochwertigem Wohn- und Gewerberaum auf dem Stadtgebiet ein. Sie achtet dabei auf eine nachhaltige Bauweise, einen hindernisfreien und altersgerechten Ausbau sowie eine gute soziale Durchmischung.
2 Die Stadt sorgt für eine stete Erhöhung der Anzahl Wohnungen, die sich im alleinigen und gemeinsamen Eigentum der öffentlichen Hand und von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen und Wohn-bauträgern, welche dem Prinzip der Kostenmiete im Sinne der Gesetzgebung des Bundes über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum und den Grundsätzen nach Abs. 1 verpflichtet sind, befinden.

§ 10f 2. Förderungsmassnahmen und -mittel
1 Die Stadt erwirbt und erstellt Wohn- und Gewerbeliegenschaften, die sie selber nach dem Prinzip der Kostenmiete im Sinne der Gesetzgebung des Bundes über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum vermietet oder verpachtet. Sie kann sich zum gleichen Zwecke am Erwerb und an der Erstellung durch Dritte beteiligen.
2 Die Stadt erwirbt Grundstücke, die sie selber überbaut oder gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen und Wohnbauträgern zu günstigen Zinsen im Baurecht abgibt 
(siehe auch C3: Land oder Liegenschaften erwerben).
3 Die Stadt setzt mit Massnahmen der Raumplanung Anreize, um Projekte zu fördern, die dem ge-meinnützigen Wohnungsbau dienen.
4 Der Stadtrat legt in seiner Immobilienstrategie Richtlinien bezüglich Vergabe der Fördermittel und der Vermietung der städtischen Wohn- und Gewerberäume fest.
§ 10g 3. Berichterstattung
1 Der Stadtrat erstattet dem Einwohnerrat jährlich Bericht über die Entwicklung des Anteils von Wohnungen der öffentlichen Hand und von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen und Wohnbau-trägern sowie über die getroffenen Massnahmen zum Erhalt und zur Förderung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum.
IV Inkrafttreten
1 Die Änderungen der Gemeindeordnung gemäss §§10e – 10g wird nach deren Annahme durch die Stimmberechtigten und die Genehmigung durch das zuständige kantonale Departement vom Stadtrat in Kraft gesetzt.


 

Köniz - Gemeindeinitiative «Bezahlbar Wohnen in Köniz» - Annahme des Gegenvorschlags (Februar 2017)

Das Baureglement der Gemeinde Köniz vom 7. März 1993 soll mit folgender neuer Bestimmung ergänzt werden:

Art. 26a (neu)
2a preisgünstiges Wohnen

Mit dem Ziel einer guten sozialen Durchmischung in den von hohen und steigenden Mietzinsen besonders betroffenen Ortsteilen setzt sich die Gemeinde aktiv für die Erstellung und Erhaltung preisgünstiger und qualitativ hochwertiger Mietwohnungen ein, indem sie insbesondere:

a) bei Erlass oder Änderung von Nutzungsplänen, die zu einer höheren Ausnutzung führen, einen angemessenen Anteil (in der Regel einen Drittel) des für das Wohnen bestimmten Nutzungs-masses dem preisgünstigen Wohnungsbau in Kostenmiete vorbehält. Diese Zweckbestimmung ist mit geeigneten Instrumenten dauerhaft zu sichern. Auszunehmen sind geringfügige Änderungen von Nutzungsplänen gemäss Art. 122 BauV;
b) geeignete Grundstücke im Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger abgibt und mit Auflagen die Zweckbestimmung für den preisgünstigen Wohnungsbau in Kostenmiete dauerhaft sichert;
c) gemeinnützige Wohnbauträger bei der Landbeschaffung unterstützt.

 

Luzern - Volksinitiative «Für zahlbaren Wohnraum» - angenommen (Juni 2012)

Gestützt auf § 131 des Stimmrechtsgesetzes und Art. 6 der Gemeindeordnung der Stadt Luzern verlangen die unterzeichnenden Stimmberechtigten der Stadt Luzern in Form der Anregung:

Die Stadt Luzern setzt sich aktiv für die Schaffung und den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum ein und setzt sich dazu das Ziel, dass bis in 25 Jahren ein Anteil von mindestens 16% des Wohnungsbestands nach Kriterien der Gemeinnützigkeit vermietet wird. Folgende Massnahmen sollen u.a. zur Zielerreichung beitragen:
  • Die Stadt stellt eigene Grundstücke gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen zur Verfügung.
  • Sie integriert gemeinnützige Wohnbauträgerinnen bei raumplanerischen Entwicklungsschwerpunkten angemessen.
  • Sie verhandelt mit Grundeigentümern, um diese – als Gegenleistung zum Mehrwert durch planerische Massnahmen – vertraglich zur Erstellung eines angemessenen Anteils an preisgünstigen Wohnungen zu verpflichten.
  • Sie unterstützt gemeinnützige Wohnbauträgerinnen durch zinsvergünstigte Darlehen bzw. setzt sich dafür ein, dass solche Darlehen durch den Kanton gewährt werden.
Alle fünf Jahre erstattet der Stadtrat Bericht über den Fortschritt zu diesem Ziel hin.