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B2. Ausnützungsbonus / Nutzungsprivilegien

Eine Gemeinde kann Nutzungsprivilegien vorsehen, wenn auf Grundstücken ein bestimmter Anteil an preisgünstigen Wohnungen realisiert wird. Beispiele sind eine erhöhte Ausnützungsziffer, einen Zuschlag bei der Gebäudehöhe oder -länge oder eine Reduktion der internen Grenz- und Gebäudeabstände.

Nutzungsprivilegien im Zusammenhang mit der Erstellung von preisgünstigem Wohnraum werden bereits seit längerer Zeit angewendet. Beispiele sind etwa die Städte Nyon oder Zug. In Nyon erhalten Grundeigentümer im Rahmen von Gestaltungsplänen Nutzungsanreize bzw. die Möglichkeit, deutlich mehr zu bauen als gemäss Bauordnung möglich wäre. Im Gegenzug fordert die Gemeinde von den Bauträgern die Festschreibung eines Anteils von gemeinnützigem Wohnraum. In den «Zonen für preisgünstige Wohnungen» gewährt die Stadt Zug einen Ausnützungszuschlag von 10 Prozent.

In der Stadt Bern wurde im Rahmen der Initiative «Für mehr bezahlbare Wohnungen» ein Nutzungsbonus von 20 Prozent eingeführt. Wohnbaugenossenschaften Schweiz ist kein weiteres Beispiel bekannt, wo im Rahmen einer Volksinitiative ein Ausnützungsbonus gefordert wurde.

Was muss man beachten?
  • Die Forderung birgt die Gefahr, dass hohe Dichten an Orten entstehen, die aus raumplanerischer Sicht ungeeignet sind. Die Formulierung in der Initiative der Stadt Bern versucht diese Problematik zu entschärfen.

Welches sind Vor- und Nachteile?
Vorteile:
  • Die Forderung nach Nutzungsprivilegien dürfte politisch weniger umstritten sein, da sie kein Eingriff ins Privateigentum darstellt.
  • Die Forderung verursacht kaum finanziellen Aufwand für die Gemeinde.
  • Die Forderung fördert die Diskussion über die Verdichtung im Bestand.

Nachteile:
  • Die Erfahrung aus der Stadt Bern zeigt, dass der Ausnützungsbonus in der Praxis selten angewendet wird, weil die städtebauliche Machbarkeit schwierig ist und der Bonus sich für gewinnorientierte Trägerschaften nicht lohnt.
  • Auch wenn der Ausnützungsbonus angewendet wird, ist seine Wirkung relativ klein, denn der Ausnutzungsbonus kann aus Gründen der städtebaulichen Qualität nicht allzu hoch sein.
  • Die Forderung entfaltet erst mittel bis langfristig eine Wirkung.

Welche Varianten gibt es?
  • Variante 1: Die Gemeinde kann in der Bauordnung pauschal Nutzungsprivilegien als Anreiz vorsehen, wenn Bauträger sich zur Realisierung von preisgünstigen Wohnungen verpflichten.
  • Variante 2: Die Gemeinde kann Anreize im Rahmen von Sondernutzungsplänen gewähren (Festsetzung z.B. in Gestaltungsplänen oder in Verträgen).

Wie kann die Initiative formuliert werden?

Stadt Bern - Initiative «Für mehr bezahlbare Wohnungen» - angenommen (Mai 2014)

Die Bauordnung der Stadt Bern wird wie folgt geändert:
1) Bei Um- und Neueinzonungen wird sichergestellt, gegebenenfalls mittels einer Überbauungsordnung, dass in den Wohnzonen mindestens ein Drittel der Wohnnutzung als preisgünstiger Wohnraum im Sinne der eidgenössischen Wohnraumförderungsverordnung vom 26. November 2003 erstellt und dauerhaft in Kostenmiete vermietet wird oder der Boden durch Verkauf oder im selbstständigen und dauernden Baurecht an eine gemeinnützige Organisation im Sinne von Artikel 37 der Wohnraumförderungsverordnung abgegeben wird, die die Wohnungen dauerhaft in Kostenmiete vermietet.
2) Ausgenommen sind geringfügige Änderungen von Nutzungsplänen gemäss Art. 122 BauV. Das für die Planung zuständige Organ kann im Einzelfall weitere Um- und Neueinzonungen, namentlich von kleineren Arealen, von der Verpflichtung ausnehmen, preisgünstigen Wohnraum zu erstellen, oder diese Verpflichtung einschränken.

3) Für Neu- und Umbauten von Gebäuden wird das zulässige Mass der Nutzung um 20 Prozent erhöht, wenn die städtebauliche Verträglichkeit gewährleistet ist, keine wesentlichen nachbarlichen Interessen betroffen sind und wenn im gesamten Gebäude preisgünstiger Wohnraum gemäss der Wohnraumförderungsverordnung erstellt und dauerhaft in Kostenmiete vermietet wird oder eine gemeinnützige Organisation im Sinne von Artikel 37 der Wohnraumförderungsverordnung Grundeigentümerin oder Baurechtsnehmerin ist, die die Wohnungen dauerhaft in Kostenmiete vermietet.»
 

Kanton Zug (kantonale Initiative) - Gesetzesinitiative für bezahlbaren Wohnraum - abgelehnt (Juni 2017)

Die unterzeichneten Stimmberechtigten reichen gestützt auf § 35 Abs. 1 und 2 der Kantonsverfassung vom 31. Januar 1894 (BGS 111.1) in der Form der allgemeinen Anregung das folgende Initiativbegehren ein:

Der Kanton Zug und die Einwohnergemeinden setzen sich aktiv für die Schaffung und den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum ein mit der Zielsetzung, dass bis in 20 Jahren nach Annahme der Initiative ein Anteil von mindestens 20% des Wohnungsbestandes nach Grundsätzen des preisgünstigen Wohnungsbaus oder der Kostenmiete vermietet wird. Sie erarbeiten entsprechende Massnahmenkataloge und setzen diese um.

Folgende Massnahmen sollen u.a. zur Zielerreichung beitragen:
  • Der Kanton und die Einwohnergemeinden unterstützen gemeinnützige Wohnbauträgerinnen und gewähren ihnen zinsvergünstigte Darlehen. 
  • Kanton und Gemeinden stellen eigene Grundstücke gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen zur Verfügung.
  • Kanton und Einwohnergemeinden integrieren gemeinnützige Wohnbauträgerinnen bei raumplanerischen Entwicklungsschwerpunkten angemessen. 
  • Neueinzonungen oder Umzonungen werden nur erlaubt, wenn auf den entsprechenden Flächen ein bestimmter Anteil an preisgünstigem oder kostenmietebasiertem Wohnraum entsteht.
  • Bei Neueinzonungen oder Umzonungen, bei denen mindestens 20% der Fläche für preisgünstigen oder auf Kostenmiete basierten Wohnungsbau reserviert wird, soll ein Ausnützungszuschlag gewährt werden können. 
Alle zwei Jahre erstatten der Regierungsrat und die Gemeinderäte Bericht über den Fortschritt zu diesem Ziel hin.