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Coronavirus: Empfehlungen für Genossenschaften

20.03.2020
Der Bundesrat hat die «ausserordentliche Lage» ausgerufen. Was bedeutet dies nun für die anstehenden Generalversammlungen und für allfällige Wahlgeschäfte? Ist eine schriftliche Abstimmung jetzt zulässig? Und was müssen Genossenschaften sonst noch beachten?
 Kann die Generalversammlung verschoben werden?
Bis zum 19. April 2020 hat der Bundesrat öffentliche und private Veranstaltungen untersagt. Darunter fallen auch Generalversammlungen. Das öffentliche Recht hat Vorrang vor dem privaten Recht, also vor dem Genossenschaftsrecht. Deshalb gilt das Verbot auch, wenn damit gewisse Vorschriften aus dem Obligationenrecht oder den Statuten nicht eingehalten werden können. Selbst wenn in den Statuten festgehalten ist, dass die GV in den ersten sechs Monaten des Jahres durchgeführt werden muss, handelt es sich dabei lediglich um eine so genannte Ordnungsvorschrift. Das bedeutet, man soll, muss aber nicht. Die Generalversammlung kann also problemlos verschoben werden. Beschlüsse der später stattfindenden GV sind gültig, auch wenn die Versammlung später oder auch erst nächstes Jahr stattfindet.

Darf man schriftlich abstimmen oder wählen?
Das schweizerische Gesellschaftsrecht geht von der Unmittelbarkeit der Generalversammlung aus. Dieses soll sicherstellen, dass die Meinungsbildung in einem diskursiv-interaktiven Prozess erfolgt, in dem die Genossenschaftsmitglieder und der Vorstand im gegenseitigen Informationsaustausch miteinander Beschlüsse fassen können. Dafür müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:
1. Die Teilnehmer müssen zeitgleich aktiv sein.
2. Die Teilnehmer müssen zueinander in Kontakt treten können.
3. Die Teilnehmer müssen Einfluss auf das Geschehen an der GV nehmen können.
Das heisst, nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sind Zirkularbeschlüsse, Urabstimmungen und Telefonkonferenzen grundsätzlich unzulässig. Nur Genossenschaften, die mehr als 300 Mitglieder zählen oder bei denen die Mehrheit der Mitglieder aus Genossenschaften besteht, können in den Statuten bestimmen, dass eine schriftliche Stimmabgabe (Urabstimmung) möglich ist.
 
Es stellt sich nun die Frage, ob der Bundesrat dieses Prinzip der Unmittelbarkeit ausser Kraft setzt, indem er in der nun geltenden Corona-Verordnung in Art. 6a festhält:
"Bei Versammlungen von Gesellschaften kann der Veranstalter ungeachtet der voraussichtlichen Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ohne Einhaltung der Einladungsfrist anordnen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rechte ausschliesslich ausüben können:
  1. auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form; oder
  2. durch einen vom Veranstalter bezeichneten unabhängigen Stimmrechtvertreter."
Für Genossenschaften mit ihrem demokratischen Prinzip ist allerdings das Unmittelbarkeitsprinzip sehr hoch zu gewichten. Unser Rechtsdienst rät deshalb im Regelfall davon ab, von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen. Er empfiehlt den Genossenschaften, die GV auf ca. November 2020 zu verschieben.  

In gewissen Fällen könnte eine Genossenschaft entgegen dem Unmittelbarkeitsprinzip auf eine schriftliche Abstimmung ausweichen. Zum Beispiel im Fall eines Organisationsmangels, das heisst, wenn die Zahl der Vorstandsmitglieder auf unter drei Personen fallen würde. Oder auch wenn durch die Verschiebung hohe Kosten entstehen würden. Das kann bei einer Fusion oder bei einem Bauprojekt der Fall sein. Die fehlende Budgetgenehmigung oder die später stattfindenden Wahlen rechtfertigen eine schriftliche Abstimmung nicht.

Was geschieht, wenn Wahlen verschoben werden?
Grundsätzlich gilt: Die Vorstandsmitglieder bleiben gewählt, bis Neuwahlen stattfinden können. Es steht aber jeder gewählten Person frei, jederzeit den Rücktritt zu erklären und sich damit für künftige Sachverhalte aus der Verantwortung zu nehmen. Allerdings werden die Abgetretenen erst mit der später stattfindenden Décharge-Erteilung von ihrer Verantwortlichkeit entlastet. Ein Rücktritt ist dann ausgeschlossen, wenn er zur Unzeit geschieht – zum Beispiel eben, wenn dadurch ein Organisationsmangel entstehen würde. Aber sogar ein kurzzeitiger Organisationsmangel wäre für die Zeit bis zur verschobenen ordentlichen GV verkraftbar. Auch die Handelsregisterführer dürften die besondere Lage berücksichtigen.

Zudem ist es möglich, die neu zu wählenden Vorstandsmitglieder bereits als Beisitzende ohne Stimmrecht an den Sitzungen teilnehmen zu lassen und dies entsprechend zu kommunizieren.

Was ist mit Wohnungsbesichtigungen und Zügelterminen?
Neben den Generalversammlungen sind auch weitere Bereiche der Genossenschaftsverwaltung betroffen: So ist zu beachten, dass die Genossenschaft Arbeitnehmende im Risikobereich besonders aktiv schützen muss. Besonders gefährdete Arbeitnehmende sollen ihre Arbeit von zuhause aus erledigen können und falls dies nicht möglich ist beurlaubt werden.
 
Wohnungsbesichtigungen sollten nur mittels Fotodokumentation erfolgen. Gerichtliche Verhandlungen fallen zurzeit in der ganzen Schweiz aus. Mieterausweisungen finden bei hängigen Verfahren keine statt. Bei Zügelterminen, Fristerstreckungen und Mietzinsausständen empfehlen wir, angesichts der besonderen Situation gemeinsam mit den Betroffenen eine einvernehmliche Lösung zu suchen.
Bei Wohnungswechseln wird es schwierig, wenn die bisherigen Mieterinnen und Mieter nicht ausziehen können, die neuen Mieterinnen und Mieter aber einziehen möchten. Falls man sich nicht auf eine Lösung einigen kann, muss die Genossenschaft den Vertrag mit den einziehenden Mieterinnen und Mietern halten und zum Beispiel der ausziehenden Mietpartei die Möbel einstellen und sie bitten, sich eine andere Wohnmöglichkeit zu suchen. Es empfiehlt sich jedoch wie gesagt, mit den Betroffenen Lösungen zu finden. Falls sich die ausiehenden Mieterinnen und Mieter weigern, kann die Genossenschaft lediglich einen Ausweisungsbefehl beim Gericht erwirken, der jedoch zur Zeit nicht vollstreckt wird.
 
Wie gehen wir konkret vor?
Wie informieren Sie Ihre Genossenschaftsmitglieder über die Verschiebung der GV,  wie gehen Sie mit konkreten anstehenden Geschäften um, wie führen Sie eine schriftliche Abstimmung durch? Gerne stehen Ihnen unser Rechtsdienst und unsere Beratungsfachleute zur Verfügung, beraten Sie in Ihren individuellen Fragen und unterstützen Sie bei Bedarf auch in der Kommunikation. Auch wenn wir mehrheitlich im Homeoffice tätig sind, sind wir jederzeit für Sie da. Am besten kontaktieren Sie uns per E-Mail (via unsere Zentrale oder direkt unseren Rechtsdienst).