Newsletter
abonnieren

 

C3. Land oder Liegenschaften erwerben

Um Areale für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, muss die Gemeinde über eigenes Land oder eigene Liegenschaften verfügen. Um ihren Spielraum zu erweitern, sollte die Stadt oder Gemeinde Land oder Liegenschaften dazukaufen. Dafür braucht es finanzielle Mittel. Häufig richten Gemeinden einen entsprechenden Fonds ein. Dieser kann entweder jährlich mit einem gewissen Betrag geäufnet werden, oder es werden Kreditpakete geschnürt, die von der Kredithöhe meist dem Volk bzw. der Gemeindeversammlung vorgelegt werden müssen.

Die Stadt Bern beispielsweise kauft über den städtischen «Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik» immer wieder Liegenschaften. Dadurch werden diese der Spekulation entzogen, können Mieterinnen und Mieter in ihren Wohnungen bleiben und wird bezahlbarer Wohnraum erhalten und gefördert. Die Stadt Freiburg hat einen Fonds für aktive Bodenpolitik geschaffen. Der Fonds soll es der Stadt ermöglichen, flexibel Grundstücke und Immobilien zu kaufen. Dieser wird seit 2017 je nach Finanzlage der Stadt jeweils im Rahmen des Budgets alimentiert.

Was muss man beachten? 
  • Es ist abzuwägen, ob der Fonds mit einem Startkapital ausgestattet werden soll oder nicht. Wichtig ist, dass er über die Jahre immer wieder geäufnet wird. Auch ist abzuwägen, ob der Fonds jährlich mit einem gleichbleibenden Betrag gespiesen werden soll oder je nach Rechnungsabschluss mit einem variablen Betrag.
  • Der Kauf von Liegenschaften oder Land benötigt kurzfristig viel finanzielle Mittel. Doch es gibt Lösungen: Für die Finanzierung können Gemeinden etwa Gelder aus den Grundstückgewinnsteuern oder aus dem Mehrwertausgleich verwenden. Gelder aus dem Mehrwertausgleich dürfen gemäss einem Bundesgerichtsurteil auch für Massnahmen zur Wohnbauförderung genutzt werden.
  • Um zu verhindern, dass der Fonds ungebraucht bleibt, ist es sinnvoll, dass die Gemeinde periodisch über ihre bodenpolitischen Interventionen Bericht erstattet.
  • Neben Gemeinden haben auch einige Kantone Fonds für den Land und Liegenschaftenkauf geschaffen. Der Kanton Genf äufnet seit 2007 einen solchen Fonds. Die Grundstücke werden anschliessend gemeinnützigen Bauträgern im Baurecht zur Verfügung gestellt. Der Fonds wird so lange mit jährlich 35 Mio. Franken gespiesen, bis der Anteil des gemeinnützigen Sektors am Mietwohnungsangebot 20 Prozent beträgt. Auch der Kanton Freiburg betreibt eine aktive Bodenpolitik. Er hat dazu 2020 eine kantonale Anstalt für die aktive Bodenpolitik gegründet, die in erster Linie die wirtschaftlichen Aktivitäten im Kanton fördern soll.
  • Es kann durchaus sinnvoll sein, wohnungspolitische und wirtschaftliche Interessen (beispielsweise die Ansiedlung neuer Firmen) zu kombinieren. Die Stadt Grenchen im Kanton Solothurn etwa betreibt seit Jahren eine aktive Landpolitik und kombiniert dabei die Zielsetzung der Ansiedlung von Firmen mit dem Bau von preisgünstigen Wohnungen. Im Februar 2020 legte sie ihren Stimmberechtigten einen weiteren Landbeschaffungskredit von 15 Mio. Franken vor, der deutlich angenommen wurde.
  • Damit Gemeinden von den Verkaufsabsichten von Land oder Liegenschaftseigentümern erfahren, wäre ein Vorkaufsrecht für Gemeinden sinnvoll. Aktuell verfügen jedoch leider nur die Gemeinden der Kantone Genf und Waadt über ein solches. Eine Initiative im Kanton Zürich, die ein Vorkaufsrecht für Gemeinden zugunsten des preisgünstigen Wohnungsbaus einrichten will, ist noch hängig.

Welches sind Vor- und Nachteile?
Vorteile:
  • Eigenes Land und eigene Liegenschaften erhöhen den Handlungsspielraum einer Gemeinde massgeblich.
  • Der Kauf von Land oder Liegenschaften ist zwar teuer. Durch die Wertsteigerung des Bodens wirkt er sich jedoch längerfristig meist positiv auf die Gemeindefinanzen aus. 
Nachteile:
  • Der Kauf von Liegenschaften oder Land benötigt kurzfristig viel finanzielle Mittel.
 

Welche Varianten gibt es?
Verschiedene Volksinitiativen zielen auch darauf ab, dass Gemeinden eine Stiftung gründen, die anschliessend auf dem Wohnungsmarkt aktiv ist und unter anderem Land und Liegenschaften kauft. Siehe dazu auch E. Kommunaler Wohnungsbau vorantreiben.

Um gemeinnützige Bauträger beim Kauf von Bauland zu unterstützen, können Gemeinden finanzielle Hilfen gewähren. Siehe dazu D. Finanzielle Förderung von gemeinnützigen Wohnbauträgern.

Wie kann die Initiative formuliert werden?

Aarau - Initiative «Raum für alle – Ja zu bezahlbarem Wohn- und Gewerberaum» - abgelehnt (November 2017)

Die Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde Aarau vom 23. Juni 1980 wird wie folgt geändert:
D. Förderung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum

§ 10e 1. Grundsatz
1 Die Stadt setzt sich aktiv für den Erhalt und die Erhöhung des Anteils von preisgünstigem und qualitativ hochwertigem Wohn- und Gewerberaum auf dem Stadtgebiet ein. Sie achtet dabei auf eine nachhaltige Bauweise, einen hindernisfreien und altersgerechten Ausbau sowie eine gute soziale Durchmischung.
2 Die Stadt sorgt für eine stete Erhöhung der Anzahl Wohnungen, die sich im alleinigen und gemeinsamen Eigentum der öffentlichen Hand und von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen und Wohn-bauträgern, welche dem Prinzip der Kostenmiete im Sinne der Gesetzgebung des Bundes über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum und den Grundsätzen nach Abs. 1 verpflichtet sind, befinden.

§ 10f 2. Förderungsmassnahmen und -mittel
1 Die Stadt erwirbt und erstellt Wohn- und Gewerbeliegenschaften, die sie selber nach dem Prinzip der Kostenmiete im Sinne der Gesetzgebung des Bundes über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum vermietet oder verpachtet. Sie kann sich zum gleichen Zwecke am Erwerb und an der Erstellung durch Dritte beteiligen.
2 Die Stadt erwirbt Grundstücke, die sie selber überbaut oder gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen und Wohnbauträgern zu günstigen Zinsen im Baurecht abgibt.
3 Die Stadt setzt mit Massnahmen der Raumplanung Anreize, um Projekte zu fördern, die dem gemeinnützigen Wohnungsbau dienen.
4 Der Stadtrat legt in seiner Immobilienstrategie Richtlinien bezüglich Vergabe der Fördermittel und der Vermietung der städtischen Wohn- und Gewerberäume fest.
§ 10g 3. Berichterstattung
1 Der Stadtrat erstattet dem Einwohnerrat jährlich Bericht über die Entwicklung des Anteils von Wohnungen der öffentlichen Hand und von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen und Wohnbau-trägern sowie über die getroffenen Massnahmen zum Erhalt und zur Förderung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum.
IV Inkrafttreten
1 Die Änderungen der Gemeindeordnung gemäss §§10e – 10g wird nach deren Annahme durch die Stimmberechtigten und die Genehmigung durch das zuständige kantonale Departement vom Stadtrat in Kraft gesetzt.

 

Musterinitiative: Initiative für die Schaffung eines Fonds für aktive Bodenpolitik

Die Gemeindeordnung (?) der Gemeinde xy wird wie folgt geändert:

Artikel xy Aktive Bodenpolitik
1 Die Gemeinde schafft einen Fonds, der es ermöglicht, auf dem Grundstück- und Immobilienmarkt flexibel mit dem Ziel zu intervenieren, Grundstücke und Immobilien zu kaufen, um den Bau von preisgünstigen Wohnungen (und Gewerberäumen) sowie von Gemeindeeinrichtungen zu fördern.
2a Der Fonds wird mit einem Startkapital von x Millionen Franken dotiert (optional)
2b Der Fonds soll jährlich mit x Millionen Franken alimentiert werden. (Variante Stadt Freiburg: Der Fonds soll nach Massgabe der Einnahmen aus dem Grundeigentum und der Rechnungsabschlüsse regelmässig alimentiert werden und dazu dienen, die Bestrebungen des Gemeinderates hinsichtlich der aktiven Bodenpolitik in die Tat umzusetzen.)
3 Die Gemeinde erstattet alle vier Jahre Bericht über ihre bodenpolitischen Aktivitäten.